Viele Luftballons beim Sommerkinderfest am Holzhausenschlösschen
Kinderfest

Salon kontrovers: Briefe – schreiben und lesen

Metamorphosen des Eros: Der Briefwechsel zwischen Friedrich Hölderlin und Susette Gontard
  • Donnerstag, 23. Oktober 2025 – 19.30 Uhr

Holzhausenschlösschen
Justinianstraße 5
60322 Frankfurt am Main

Paula Hans / Stephan Wolf-Schönburg © Lars Johansson / Maike Ammann

Eintritt € 14,- (Parkett, Reihe 1-5) / € 10,- (Parkett, Reihe 6 und Fensterbänke) / € 5,- (Empore, eingeschränkte Sicht)

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Darüber hinaus werden wir über die Mediathek unserer Website am Veranstaltungstag einen Livestream der Veranstaltung anbieten.

Es lesen Stephan Wolf-Schönburg und Paula Hans
Konzeption und Einführung: Ruthard Stäblein

Zur Veranstaltung


Was für ein Zufall, was für eine Fügung. Der junge Dichter Friedrich Hölderlin schreibt 1793 ein Romanfragment, in dem seine Dichterfigur Hyperion Liebesbriefe an eine gewisse Melite schreibt. Diesen Hyperion liest die junge Ehefrau und vierfache Mutter Susette Gontard – in der sogenannten Erst-Fassung von Walterhausen und in der Abschrift eines Verehrers - in Frankfurt. Und dann kommt dieser Dichter Hölderlin 1796 nach Frankfurt und tritt bei ihrem Ehemann, den reichen Bankier Gontard, eine Stelle als Hauslehrer an. Susette erkennt ihren Hyperion in Hölderlin wieder, welch „geheime Verkettung der Dinge“, wie sie ihm später in einem Brief schreiben wird. Und er, Hölderlin, vertraut in einem Brief seinem Freund Neuffer an: „Es ist eine ewige fröhliche heilige Freundschaft mit einem Wesen, das sich recht in dies arme und geistlose Jahrhundert verirrt hat! Mein Schönheitssinn ist nun vor Störung sicher. Er orientiert sich ewig an diesem Madonnenkopfe. Mein Verstand geht in die Schule bei ihr.“

Daraufhin schreibt Hölderlin eine weitere Fassung seines Hyperion-Romans, und aus Melite wird Diotima, benannt nach der einzigen Frau in Platons „Symposion“, die Eros als höchste Tugend feiert und dies Sokrates ins Ohr flüstert.

Aus der platonischen Liebe wird eine wirkliche, als die Beiden wochenlang in Kassel und Driburg unter sich bleiben, gefördert durch den Schriftsteller und Erotiker Wilhelm Heinse. Als das heimliche Paar wieder nach Frankfurt zurückkehrt, scheint das Liebesgeheimnis aufzufliegen. Das Paar aber hat keine Zukunft. Der studierte Theologe Hölderlin will nicht Pfarrer werden und als Hauslehrer-Dichter wird er die vierfache Mutter nicht ernähren können. Hölderlin reichte im September 1798 seine Entlassung ein und zog zu seinem Freund Sinclair nach Bad Homburg.

Von dort aus wanderte er fast 2 Jahre lang monatlich rund 30 Kilometer bei Wind und Wetter nach Frankfurt in die Adlerflychtstraße, wo die Sommerresidenz der Gontards liegt. An der Hecke vor einer Laube tauschten die Beiden ihre Liebesbriefe aus. – Der Adlerflychtsche Hof wurde später abgerissen und heute steht da an der Ecke zum Oederweg ein Kinderspielplatz. Ein Schild weist noch auf das Anwesen hin. – Um zum Adlerflychtschen Hof zu gelangen, musste Hölderlin durch den Holzhausenpark direkt am Holzhausenschlösschen vorbei und dann in den Oederweg abbiegen. Das Holzhausenviertel ist also ein „genius loci“, ein besonderer Ort, der die Liebe zwischen Hölderlin und seiner Diotima Susette Gontard bezeugt, beide zu ihren Liebesbriefen anregte, und ihn zur Dichtung des Hyperion.

Hölderlin bewahrte die Briefe seiner Susette/ Diotima sorgfältig und andächtig auf. Er nahm sie auch mit auf seine Fußreise nach Bordeaux im Dezember 1801 und Januar 1802. Nach nicht einmal sechs Monaten kehrte er – zerrüttet – nach Nürtingen zurück zu seiner Mutter. Die öffnete heimlich ein Paket mit Briefen von Susette Gontard. Hölderlin wurde fuchsteufelswild. Zudem erfuhr er, dass seine Susette am 22. Juni 1802 in Frankfurt gestorben war. Von nun an trieb er immer mehr ins Dunkle hinab. 17 Briefe von Susette Gontard haben sich im Nachlass von Hölderlin erhalten, aber nur drei von ihm. So wollen wir im „Salon kontrovers“ auch auf Briefe und Gedichte von Hölderlin zurückgreifen, die seine Liebe zu Susette in der Figur von Diotima vorwegnehmen oder dann im Rückblick wie in „Menons Klage um Diotima“ betrauern:

„Aber das Haus ist öde mir nun, und sie haben mein Auge Mir genommen, auch mich hab ich verloren mit ihr. Darum irr ich umher, und wohl, wie die Schatten, so muß ich Leben, und sinnlos dünkt lange das Übliche mir.“

Im Roman schickt Hyperion Abschiedsbriefe an Diotima, in der auch von „Entsagung“ die Rede ist. Seine Geliebte Diotima zerbricht daran. Er wird seine Heimat Griechenland aufgeben, nach Deutschland gehen, dort studieren. Und auch von den Deutschen wird er enttäuscht werden. "Was bleibet aber, stiften die Dichter".

Ruthard Stäblein

Die Mitwirkenden


Stephan Wolf-Schönburg ist als Diplomatensohn in Bonn, Washington D.C. und Kairo aufgewachsen. Nach Abschluss seiner Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien arbeitete er u.a. an Taboris Theater sowie am Volkstheater; Anfang der 1990er-Jahre ging er nach Berlin. Seine Theaterarbeit führte ihn an die dortige Schaubühne sowie zu den Salzburger Festspielen, ans Zürcher Schauspielhaus, Staatstheater Braunschweig, Maxim Gorki Theater und an die Neuköllner Oper, wobei er mit Tatjana Rese, Luca Ronconi, Andrzej Wajda, Jürgen Zielinski, Karin Koller und Andreas Gergen arbeitete. Bei Film und Fernsehen traf er auf Regisseurinnen und Regisseuere wie Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, Armin Mueller-Stahl, H-C Blumenberg, Vivian Naefe, Paul Greengrass oder Bille Eltringham. Der Künstler ist selbst als Regisseur und Autor tätig (u.a. Theater der jungen Welt in Leipzig, Landestheater Detmold). Als Sprecher hörte man ihn u.a. im rbb (Ohrenbär), in Arte und in 3sat. Stephan Wolf-Schönburg war Gastdozent an der Universität Leipzig und unterrichtete Schauspielstudenten des Freedom Theatre in Jenin/Palästina. 2011 hat er eine Ausbildung zum Friedens- und Konfliktberater an der Akademie für Konflikttransformation des Forums Ziviler Friedensdienst abgeschlossen. Seit 2001 übt er auch ehrenamtliche oder projektbezogene Tätigkeiten für medico international aus.

Paula Hans ist als freischaffende Schauspielerin und Mental Coach tätig. Ihre Schauspielstudien absolvierte sie an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig. Sie arbeitet regelmäßig für Film und Fernsehen und ist zudem eine gefragte Sprecherin für Werbung und Hörfunk. Fernsehrollen hatte sie u.a. in „Polizeiruf 110“, „Soko Stuttgart“, „Soko Leipzig“, „Soko Wismar und „Tatort“. Im Fernsehfilm „Robert Schumann“ spielte Paula Hans 2009 Clara Schumann. 2013 war sie im Kino in „König von Deutschland“ von David Dietl zu erleben. 2018 spielte sie in dem ARTE-Zweiteiler „Die Hälfte der Welt gehört uns“ die SPD-Politikerin Marie Juchacz. 2022 erhielt der Kinofilm „Lieber Thomas“, in dem Paula Hans die Bettina Wegener verkörpert, 9 „Lolas“ beim Deutschen Filmpreis. Paula Hans lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Leipzig.

Ruthard Stäblein, geboren in Mellrichstadt. Studium der Romanistik, Germanistik, Komparatistik und Philosophie in Berlin, Tübingen, Toulouse und an der Sorbonne in Paris. Danach als Assistent, Lektor und Dozent in Paris und Nancy: Mitglied in der Forschungsgruppe „Culture de Weimar“ an der Pariser „Maison des Sciences de l'Homme“. Publikationen zur Wiener Moderne und zur „Dekadenz“ in verschiedenen Sammelbänden. Herausgeber von „Identitätskrise und Surrogatidentitäten. Zur Wiederkehr einer romantischen Konstellation“ (Campus-Verlag) sowie einer Reihe über Moral seit 1992 in fünf Bänden, erschienen bei Fischer und Insel. Seit 1988 Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks, Redakteur für Literatur. Dramaturgische Einrichtung von Hörbüchern wie „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil; „Atemschaukel“ von Herta Müller; Briefwechsel zwischen Siegfried Unseld und Thomas Bernhard; „Schopenhauer in 100 Minuten“; „Autobiographische Schriften“ von Thomas Bernhard; „Freiheit“ von Jonathan Franzen; „Der Traum des Kelten“ von Mario Vargas Llosa; „Die sterblich Verliebten“ von Javier Marias, „Nietzsche in 100 Minuten“ u.v.a.

Gesamtleitung: Frankfurter Bürgerstiftung
Hauptförderer: Dr. Marschner Stiftung
Förderer: Freundes- und Förderkreis der Frankfurter Bürgerstiftung

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