Die Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen trauert um Emil Mangelsdorff
Seit den 1990er Jahren trat Emil Mangelsdorff immer am ersten Montag im Monat (außer an Feiertagen und in den Schulferien) mit seinem Quartett und einem besonderen Gast im Holzhausenschlösschen auf. Zuletzt spielte er am 1. November 2021 sein 213. Konzert im Holzhausenschlösschen. Vom 25. März bis 3. April 2022 werden von zahlreichen Jazzmusikern die „Frankfurter Jazztage im Holzhausenschlösschen“ im Gedenken an Emil Mangelsdorff stattfinden, u.a. werden dort auch die Musiker des Emil Mangelsdorff-Quartetts für ihren verstorbenen Bandleader spielen. Clemens Greve, Geschäftsführer der Frankfurter Bürgerstiftung und Programmleiter im Holzhausenschlösschen, sagt: „Emil Mangelsdorff hat sein letztes Konzert im Holzhausenschlösschen im November 2021 gespielt. Wir werden ab jetzt jedes Jahr im Andenken an diesen bedeutenden Musiker im Frühjahr an mehreren Tagen ein Treffen seiner Jazzfreunde zu den Swing-Spring-Konzerten im Holzhausenschlösschen, dem Lieblingskonzertort Emil Mangelsdorffs, organisieren. Emil Mangelsdorff war bis zu seinem gestrigen Tod in engem Kontakt mit unserem Haus, unser Haus war sein Haus und unsere Zusammenarbeit beruhte auf einer jahrzehntelangen wertvollen Freundschaft!“
Neben den monatlichen Jazzkonzerten hat die Frankfurter Bürgerstiftung auch zwei CDs des Emil Mangelsdorff Quartetts finanziert und veröffentlicht (2014 Stolen Moments, 2007 Blues forever mit Bert Boeren als Special Guest). Sein letztes Konzert am 1. November 2021 steht als Livestream hier zur Verfügung.
Als moderner Mainstream-Musiker im besten Sinne zählte der Stilist Emil Mangelsdorff (as, cl, fl, comp, ld) zu den profiliertesten Solisten und Komponisten des deutschen Jazz. Seine fein ziselierten Linien, getragen von einem großen, klaren Alto-Ton, zeigten ihn als souveränen Musiker, der die gesamte Tradition, vor allem Cool-Einflüsse, mit Blues-Gefühl und Sophistication zu einer musikalisch schlüssigen Synthese voller Wärme und Eleganz zu bringen verstand. Ohne seinen eigenen Stil zu gefährden, verarbeitete er dabei Einflüsse von Johnny Hodges über Charlie Parker und Lee Konitz bis Anthony Braxton und als Konzeptionist von der Swing-Tradition bis hin zu Techniken des gemäßigten Free Jazz. „Im Zusammenspiel seines Quartetts“, kommentierte der Kritiker Bert Noglik einen Auftritt 1990 in Leipzig, „entstand eine enorme Leichtigkeit, fast so etwas wie Unbeschwertheit, ohne dabei auf die Tiefe des musikalischen Gefühls und Gedankens zu verzichten.“
Sein Geheimnis ist, dass er sich die pure Lust und Freude an der Musik seit seiner Jugend bewahrt hatte, seit jenem Erlebnis vor dem Radio seiner Eltern, als er zum ersten Mal amerikanischen Jazz hörte: „Da lief Louis Armstrong. Ich war geradezu elektrisiert, hatte einen Puls von 160 und wusste: Das ist es, das will ich auch machen!“ Auf dem Akkordeon spielte er die heiße Musik nach und stieg unter der Nazidiktatur zum heimlichen Star der Frankfurter Hotclub Combo auf, bis die Gestapo ihn verhaftete und an die russische Front schickte. Nach viereinhalb Jahren Kriegsgefangenschaft zurück in Frankfurt spielte er sich als moderner Altsaxophonist in die Spitzenriege des deutschen Jazz hinein. Als einer der Ersten pflegte er die Kunst des Duo-Spiels – zuerst mit Attila Zoller, später mit Bob Degen – und schuf bahnbrechende „Lyrik & Jazz“-Produktionen. Für seine Platte „Swinging Oildrops“ erhielt er den Schallplattenpreis der Deutschen Phono Akademie. Für seine musikalischen Verdienste und sein politisches Engagement wurde er u. a. mit dem Hessischen Jazz-Preis, der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen, der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt und des Landes Hessen, der Johanna-Kirchner-Medaille, einer Ehrenprofessur des Landes Hessen und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
Eine Auswahl der special guests, die zusammen mit Emil Mangelsdorff und dessen Quartett bei den über 200 Konzerten im Holzhausenschlösschen spielten:
Martin Auer, Thomas Bachmann, Peer Baierlein, Shannon Barnett, Marcus Bartelt, Toni Bechtold, Stanley Blume, Bert Boeren, Jürgen Bothner, Carolyn Breuer, Katie Brien, Kristina Broderson, Jens Bunge, Barbara Bürkle, Ryan Carniaux, Menno Daans, Colin Dawson, Bob Degen, Silvia Droste, Gerd Dudek, Johannes Enders, Wolfgang Engstfeld, Matthias Erlenwein, Jenny Evans, Peter Feil, Dieter Fischer, Heiner Franz, Joe Gallardo, Valentin Garvie, Walter Gauchel, Wesley Gehrig, Herb Geller, Dave Glassner, Denis Göbel, Dusko Goykovic, Daniel Guggenheim, Sandra Hempel, Ralf Hesse, Rainer Heute, Stephan Holstein, Manfred Honetschläger, Allen Jacobsen, Willi Johanns, Uli Jünemann, Günther Klatt, Frederik Köster, Dizzy Krisch, Wolfgang Lackerschmid, Biréli Lagrène, Roby Lakatos, Tony Lakatos, Peter Lehel, Oliver Leicht, Martin Lejeune, Günter Lenz, Andrey Lobanov, Michael Lutzeier, Stephan Meinberg, Alberto Menéndez, Don Menza, Johannes Müller, Janusz Muniak, Torsten Nendert, Wilson de Oliveira, Charlotte Ortmann, Klaus Hannes Osterloh, Harry Petersen, Lorenzo Petrocca, Gerd Putscheff, Bill Ramsey, Claus Reichstaller, Zipflo Reinhardt, Frank Roberscheuten, Stacy Rowles, Heinz-Dieter Sauerborn, Martin Scales, Axel Schlosser, Manfred Schoof, Matthias Schriefl, Jörg Seidel, Thomas Siffling, Janusz Stefanski, Joscho Stephan, Karolina Strassmayer, Matthias Strucken, Ack van Rooyen, Julian Wasserfuhr, Steffen Weber, Jiggs Whigham, Heiner Wiberny, Torsten de Winkel, Michael Wollny, Simon Wyrsch, Axel Schmitt, Thomas Siffling, Markus Harm.
Meldung veröffentlicht am 22.1.2022